Intuition und Entscheidungsfindung: Warum unser Bauchgefühl manchmal besser ist als Fakten

Albert Einstein antwortete angeblich auf die Frage nach der Quelle seines Genies, dass er an die Macht der Intuition und Inspiration glaube. Es sei viel besser, argumentierte er, diesen Instinkten zu vertrauen und ihnen zu folgen, als sie einfach abzutun.

Bauchgefühl, innere Stimme, Instinkt. Es gibt viele Namen für die Form von Wissen, die ohne offensichtliches Überlegen plötzlich im Bewusstsein erscheint. Intuition wird im Unternehmensalltag häufig als mystisch oder unzuverlässig abgetan. Dabei ist Intuition die Fähigkeit unseres Unterbewusstseins, schnell vergangene Erfahrungen und angesammeltes Wissen zu durchforsten.

In den letzten zwei Jahrzehnten haben Psychologen und Neurowissenschaftler enorme Fortschritte bei der Identifizierung der Quellen unserer Bauchinstinkte gemacht. Intuition entsteht Forschungen zufolge aus dem Musterabgleich von vergangenen Erfahrungen bis zum gegenwärtigen Moment. Das Gehirn verarbeitet Informationsmuster durch explizites (Wissen, dessen Sie sich bewusst sind) und implizites (unbewusstes) Wissen.

Für eine Studie wurden erfahrene Shogi-Spieler (einem Schach-ähnlichem Spiel), die allesamt ihren eigenen Aussagen nach auf ihre Intuition setzten, an Gehirn-Scans angeschlossen. In den Scans leuchtete der Precuneus-Bereich des Gehirns auf – jener Teil, der sich mit dem Bewusstsein befasst. Aber auch im ventromediale präfrontale Kortex zeigten sich Aktivitäten. In diesem Bereich werden die vergangenen Belohnungen und Fehler gespeichert. Dieser Teil des Gehirns unterstützt Sie bei der Entscheidungsfindung und reagiert auf Emotionen. Intuition hat also eine neurobiologische Grundlage.

Wenn Sie intuitiv an eine Entscheidung herangehen, arbeitet Ihr Hirn mit Ihrem Bauch zusammen: Im Verdauungstrakt befindet sich ein neuronales Netzwerk, das aus 100 Millionen Neuronen besteht (daher stammt auch die Bezeichnung „zweites Gehirn“ für den Bauch). All Ihre Erinnerungen, vergangenen Erkenntnisse, persönlichen Bedürfnisse und Vorlieben werden dort schnell bewertet und angesichts des Kontexts die beste Entscheidung getroffen. Auf diese Weise formt Intuition emotionale und erfahrungsbezogene Daten zu einer Entscheidung.

In einem faszinierenden Experiment wurden Studenten gebeten, Designer-Handtaschen auf deren Authentizität zu bewerten. Die Hälfte der Teilnehmenden sollten bei der Beurteilung bewusst ihr Bauchgefühl ignorieren und analytisch alle Merkmale auflisten, die zeigten, ob die Handtasche echt oder eine realistische Fälschung ist. Die andere Hälfte sollte hingegen nur der eigenen Intuition folgen. Die Teilnehmenden, die den analytischen Ansatz verwendeten, schnitten ungefähr alle gleich ab. Bei den Teilnehmenden, die gebeten worden waren, ihre Intuition einzusetzen, war die Genauigkeit ihrer Bauchreaktionen gegenüber der der Analysten erheblich besser – nämlich um ganze 20%.

Intuition hängt aber auch von der jeweiligen Aufgabe ab. Für eine andere Studie wurden die Teilnehmende gebeten, verschiedene Aufgaben zu erledigen. Einige dieser Aufgaben bezogen sich auf reflektierendes Denken, die anderen befassten sich mit kreativem Denken. Das Ergebnis der Studie zeigte, dass Intuition die Ergebnisse des reflektierenden Denkens verhinderte und kreatives Denken förderte.

Intuition mag nicht immer richtig sein, aber es gibt Bereiche, in denen sie sehr stark ist – und Sie können Ihre Fähigkeit Ihrer Intuition mehr zu vertrauen üben.

Unterscheiden Sie Ihr Bauchgefühl von Angst

Es kann schwierig sein, Intuition von Angst zu unterscheiden, da beide oft im Bauchbereich spürbar sind und sich ähnlich anfühlen. Angst wird meist von einem körperlichen Gefühl der Enge begleitet - Sie fühlen sich dann vielleicht angespannt, panisch oder verzweifelt. Angst hat eine treibende Energie, so als würden Sie versuchen, etwas zu erzwingen oder eine Option auszuwählen, weil Sie eine Bedrohung, Ablehnung oder Bestrafung vermeiden möchten. Angst wird auch oft von selbstkritischen Gedanken dominiert, die Ihnen dazu raten, sich zu verstecken, sich anzupassen oder sich selbst zu kompromittieren.

Intuition hingegen hat eine anziehende Energie, so als ob Ihre Wahl Sie zu Ihrem besten Interesse bewegt, selbst wenn das bedeutet, ein Risiko einzugehen oder langsamer als andere voranzukommen. Intuition wird normalerweise von Gefühlen der Aufregung und Erwartung oder der Leichtigkeit und Zufriedenheit begleitet. Körperlich neigen Bauchgefühle dazu, Ihren Körper zu entspannen.

Wenn Sie eine Entscheidung treffen wollen, atmen Sie zuerst durch und achten Sie dann, welches Gefühl sich bei Ihnen im Körper breit macht: Ist es ein beengendes oder angespanntes Gefühl oder ein aufregendes, belebendes Gefühl? Woher kommt das Gefühl und was will es Ihnen sagen? Finden Sie so heraus, ob Ihre Intuition Ihnen einen guten Dienst erweisen oder ob Ihre Angst Sie schützen will.

Starten Sie mit kleinen Entscheidungen

Beginnen Sie damit, Ihre Intuition für kleine Entscheidungen zu nutzen, wie der Auswahl eines Outfits. Wenn Sie schnelle, entschlossene Maßnahmen mit kleinen Konsequenzen ergreifen, fühlen Sie sich meistens sicherer dabei, Ihre Intuition zu nutzen. Indem Sie klein anfangen, mildern Sie das Gefühl der Überwältigung und entwickeln allmählich größeres Selbstvertrauen bei größeren Entscheidungen mit höherem Druck. Dieser Ansatz hilft dabei, weniger Stress zu empfinden.

Wenn Sie zum ersten Mal bewusst Ihre Intuition zur Entscheidungsfindung einsetzen möchten, fallen Ihnen Entscheidungen möglicherweise nicht so schnell ein. Anstatt zu viel nachzudenken, spielen Sie die unterschiedlichen Optionen durch und achten Sie darauf, was Sie dabei denken. Machen Sie am Ende des Experiments eine Bestandsaufnahme Ihrer Reaktionen und Ihrer Gefühle.

Üben Sie sich in Achtsamkeit

Achtsamkeit ermutigt uns, Gefühle und Gedanken wahrzunehmen, ohne an ihnen festzuhalten. Diese Haltung ist besonders hilfreich, wenn Sie Ihre Intuition stärken möchten. Das Beobachten und Akzeptieren von Gedanken, ohne sie zu be- oder verurteilen, ermöglicht Ihnen einen besseren Zugang zu Ihren intuitiven Informationen. Eine Achtsamkeitstechnik, der Body Scan, kann Ihnen vor allem dabei helfen, Empfindungen in Ihrem Körper wahrzunehmen, die mit intuitiver Verarbeitung zusammenhängen. Sie können diese Übung immer dann durchführen, wenn Sie eine wichtige Entscheidung treffen müssen. Präsent und achtsam gegenüber unserer Umgebung zu sein, hilft enorm bei der Entwicklung der Intuition, indem das Unterbewusstsein mit reichhaltigen Daten versorgt wird, um Entscheidungen zu treffen.

Intuition hat es meistens in geschäftigen, stressigen Umgebungen sehr schwer. Geben Sie deswegen Ihrem Geist Zeit und Raum, um zu wandern und neue Verbindungen herzustellen. Die Intuition ist zwar kein perfektes, aber ein gutes Instrument zur Entscheidungsfindung, das Sie im Moment vielleicht zu wenig nutzen. Probieren Sie ein paar der Strategien aus und lassen Sie sich überraschen. Vielleicht erleben Sie ja, dass Ihr Bauchgefühl ein mächtigeres Entscheidungsinstrument ist, als Sie bis dato gedacht haben.